Die Studierenden im Landratsamt Harz in Halberstadt

Exkursion nach Wernigerode

Ein Bericht von Philipp Schwörer, Student im Bachelorstudiengang „Public Management“

Im Sommersemester ging es für neun Studierende der Hochschule Kehl, begleitet von der Jean Monnet Chair Inhaberin Prof. Dr. Annegret Eppler und Anni Schlumberger, Geschäftsführerin der Allianz für Beteiligung Baden-Württemberg, auf große Reise. Ziel der Exkursion war das malerische Städtchen Wernigerode in Sachsen-Anhalt, direkt am Fuße des Harzgebirges gelegen.

Hintergrund der Exkursion war die Begegnung der südwestdeutschen Studierenden mit Ostdeutschland. Die Teilnehmenden belegten gemeinsam das Proseminar „Wie wild ist der Osten (heute noch)?“, welches die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt analysierte. Dabei ging es vorrangig um die Struktur und Kultur der öffentlichen Verwaltung und um die Rolle und Funktion der Kommunen in beiden Bundesländern. Eine Frage war auch, welche Rolle die öffentliche Verwaltung in der Wendezeit gespielt hat und welche Rolle öffentliche Verwaltungen ganz allgemein in Umbruchssituationen spielen.

Auf die Gruppe wartete ein abwechslungsreiches Programm, das meistens vormittags Seminarsitzungen mit Referaten und nachmittags Exkursionen zu verschiedenen Praxisstellen vorsah. Der Ausgangspunkt der Erkundungszüge lag direkt am Rande der Altstadt von Wernigerode, in der CVJM-Familienferienstätte „Huberhaus“, wo die Gruppe untergebracht war und einen Seminarraum zur Verfügung hatte. Von dort aus wurden verschiedene Kontakte zu Angehörigen der Stadtverwaltung Wernigerode und in die verschiedenen Ämter der Stadt geknüpft.

Die Studierenden lernten von Immo Kramer, stellvertretender Oberbürgermeister von Wernigerode und zuständig für die Stadtentwicklung, wie die Stadt ihre denkmalgeschützte Innenstadt weiterentwickelt, um Energiewende und Tourismus gerecht zu werden. Mit Beate Leo, Leiterin des Amtes für Finanzen, besprachen die Studierenden die anstehenden Haushaltsberatungen. Die Gruppe besuchte außerdem eine öffentliche Sitzung des Bauausschusses des Stadtrates und war erstaunt, dass die Inhalte sich, was Baugenehmigungen angeht, von dem unterschieden, was sie von zu Hause gewöhnt sind. Die Studierenden diskutierten auch länger mit Uwe-Friedrich Albrecht, Präsident des Stadtrats (in Sachsen-Anhalt ist, anders als in Baden-Württemberg, der Bürgermeister nicht automatisch Vorsitzender des Gemeinderats). Nach ein paar Tagen waren die Studierenden im Rathaus schon bestens bekannt.

Gespräche mit Zeitzeugen
Ein Highlight waren die Gespräche mit Zeitzeugen, die aus der Wendezeit und den 1990er Jahren berichten konnten. So nahmen sich Andreas Heinrich, Bürgermeister in der Wendezeit 1990, und Ulrich Götz, ehemaliger Hauptamtsleiter, Zeit, einen ganzen Vormittag mit den Studierenden im Huberhaus zu diskutieren. Eindrücklich waren die Schilderungen, untermalt mit Originaldokumenten und Aufschrieben, über die Umbruchssituation, den „Runden Tisch“ in Wernigerode, neue und alte Parteien, Unterstützung, aber auch Einflussnahme, durch Partnerstädte aus Westdeutschland. Die Studierenden stellten viele Fragen dazu, bspw. wie es gelingen konnte, die ganz alltäglichen Verwaltungsaufgaben in einer Zeit des Umbruchs zu bewältigen. Bei einem Abendessen in der Pizzeria berichtete die Landtagsabgeordnete Angelika Gorr den Studierenden, wie sie in jungen Jahren aus der damals noch existierenden DDR in den Westen übersiedelte. Als sie Anfang der 1990er Jahre nach Wernigerode zurückkehrte, galt sie als „Wessi“.

Landratsamt Kreis Harz
Wernigerode liegt im Landkreis Harz, der 2007 aus den Landkreisen Halberstadt, Wernigerode und Quedlinburg sowie der Stadt Falkenstein/Harz entstand. Die Studierenden besuchten das Landratsamt Harz in Halberstadt und kamen dort mit Hauptdezernent Herrn Manuel Slawig und Frau Christina Becker vom Sachgebiet Organisation und Personalentwicklung sowie mit Franziska Banse von der Kommunikationsstelle ins Gespräch. Sie erfuhren mehr über die Herausforderungen, mit sehr unterschiedlichen Städten im Landkreis zusammen zu arbeiten und eine Landkreisverwaltung zusammen zu fügen, über die Verwaltung der Flüchtlingsunterkunft in Halberstadt und auch, dass es in Sachsen-Anhalt gar nicht so beliebt ist, Beamter oder Beamtin zu sein.

Besuch an der Verwaltungshochschule
Auch besuchten die Studierenden ihre Kolleg*innen von der Verwaltungshochschule des Landes Sachsen-Anhalt und deren Campus in Halberstadt, der unmittelbar neben dem Dom mit seiner berühmten Domschatzkammer liegt. Mandy Ebers, wissenschaftliche Mitarbeiterin, sowie Prof. Dr. Oliver Junk, empfingen die Studierenden aus Kehl. Die Hochschule in Halberstadt überraschte nicht nur mit ihrer modernen Einrichtung und Ausstattung: Sowohl in Kehl als auch in Halberstadt studieren angehende Verwaltungsbeamte der jeweiligen Länder, doch jedes Land geht dabei einen eigenen Weg. Der Austausch über die unterschiedlichen Aspekte der Verwaltungsausbildung regte eine lebhafte Diskussion der Betrachtungsachsen und Herangehensweisen zwischen den Studierenden an.

Kultur und Veranstaltungen in Wernigerode
Die Studierenden fanden auch Zeit, sich mit Aspekten der Stadt Wernigerode zu befassen, die über die reine Stadtverwaltung hinaus reichen. So besuchten sie z. B. die Kulturkirche in Wernigerode, die als ehemalige Liebfrauenkirche aus dem frühen 13. Jahrhundert heute das Konzerthaus der Harzphilharmonie beherbergt. Betreut wird die Kulturkirche seit 2006 von Rainer Schulze, Gründer der Kulturstiftung Wernigerode, der 2019 schließlich den akustisch sehr wertvollen Kirchsaal der Philharmonie zur Verfügung stellte und den Kehler Studierenden nicht nur die Entstehung der Kirche erläuterte, sondern auch ein kleines Orgelkonzert gab.  Die Studierenden trafen auch Carola Stockmann, die für die Stadt Wernigerode das „Senioren- und Familienhaus“ leitet. Das wunderschön renovierte Haus bietet ein buntes Programm für Senior*innen und seine Räume stehen auch Vereinen zur Verfügung. Die Studierenden nahmen auch an einem von der überparteilichen Europa-Union Sachsen-Anhalt organisierten „Rathausgespräch“ teil, bei dem mit den Kandidat*innen verschiedener Parteien über die anstehende Wahl des Europäischen Parlaments diskutiert wurde und Prof. Dr. Annegret Eppler kurzerhand als Podiumsteilnehmerin einsprang, nachdem die eingeladene Expertin krank geworden war.

Der Harz
Und zu guter Letzt blieb auch noch ausreichend Zeit, sich mit dem Harz zu befassen. Uwe Lagatz, der am städtischen Gymnasium Geschichte lehrt, gab eine sehr interessante Stadtführung. Als es mitten im Spaziergang durch die Altstadt anfing, wie aus Kübeln zu schütten, erfragte er kurzerhand bei einem ihm wohlbekannten Hotelier einen kleinen Seminarraum im Hotel. Dort saßen die Studierenden mit ihm um einen Tisch und er erzählte von der altehrwürdigen Geschichte der Stadt, seinen eigenen Erfahrungen in der Wendezeit und nicht zuletzt auch vom Harz als Region. Der Harz ist eine malerische, aber auch sagenumwobene Landschaft in Sachsen-Anhalt, der höchste Berg ist der „Brocken“, auf dem sich zur Walpurgisnacht die Hexen treffen. Der 1990 gegründete „Nationalpark Harz“ liegt in Sachsen-Anhalt und in Niedersachsen, Thüringen grenzt unmittelbar an. Auch in der Stadtverwaltung Wernigerode und im Landratsamt Harzkreis haben die Studierenden über die Eigenschaft des Nationalparks als Tourismusmagnet, aber auch über die Herausforderungen durch Schädlinge und Waldbrände gehört. In der Mitte der Exkursion, am Mittwochnachmittag, machten sich die Studierenden auf, die Schönheit des Harzes im Zuge einer Wanderung zu erkunden und auch kulturhistorische Eindrücke zu sammeln.

Die Proseminargruppe blickt zurück auf eine sehr gelungene Reise mit vielen erwähnenswerten Eindrücken und Bekanntschaften für die Studierenden, die nun diese Informationen fruchtbar in Hausarbeiten über die facettenreichen Verbindungen zwischen Ost- und Westdeutschland verarbeiten. An dieser Stelle soll allen Ansprechpartnern noch einmal herzlich für Zeit und Engagement gedankt werden.

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